„Die Kunksmuhme war ein langes knochiges Mütterchen, dessen Haare stets zerzaust und struppig waren wie ein Elsternest. …“
„… Trumm hatte seine besten Jahre auf See verbracht.Genau siebzehn Schiffbrüche hatte er erlebt, war aber jedes Mal mit heiler Haut davongekommen. Natürlich hielt er sich immer streng an die Vorschriften des alten Seemannsgesetzes, wonach der Kapitän sein sinkendes Schiff nicht verlassen darf, sondern mit ihm untergehen muss. Sobald er aber auf dem Meeresgrund anlangt, gilt die Pflicht als erfüllt, und er kann ruhigen Gewissens davonschwimmen. Da Trumm ein außerordentlich guter Schwimmer war, rettete er sich stets unversehrt an Land. …“
… „Sieh mal“, sagte sie, „die Röschen sind schon erblüht.“ Die Muhme stellte die Blumen in die Vase und setzte sich zu Trumm auf den Bettrand.
„Vielleicht sehnst du dich nach dem Meer?“, fragte sie. „Ich kann dich wieder zu einem jungen Mann machen, wenn du willst.“
„Wirst auch du dann wieder jung sein?“, fragte der Kapitän.
„Nein“, sagte die Kunksmuhme. „Ich muss eine alte Hexe bleiben, als solche bin ich zuweilen noch vonnöten.“
„Wirst du dann wenigstens auf mich warten, bis ich wieder alt sei werde?“, fragte der Kapitän.
„Nein“, entgegnete die Kunksmuhme. „Es würde deinem Charakter schaden, wenn du wüsstest, dass dich an deinem Lebensabend eine alte Hexe erwartet.“
Der Kapitän versank in Nachdenken.
„Dann gehe ich nirgendwohin“, sagte er schließlich. „Ich bin kein kleiner Junge mehr und will auch nicht nochmals einer werden. Ich habe schon zur Genüge Schiffe auf Grund gefahren.“ …
aus der Erzählung „Die Kunksmuhme“ von Aino Pervik